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Bericht für das Jahr 1990 der Leichtathletikabteilung zur Jahreshauptversammlung des TSV Dagersheim am 02. März 1991
Kristina Holst Jahrgang 1978 und Mitglied in der Leichtathletik seit Januar 1986 konnte für sich und die Leichtathletik des TSV einen 1. württembergischen Meisterschaftstitel nach Hause bringe. Auf den den württembergischen Hallen—Leichtathletikmeisterschaften am 03.02.1991 wurde sie Württembergische Schülermeisterin über 60 m Hürden in der Halle und das auch noch in der Superzeit von 9,58 sec. Die Klasse dieses Sieges und der Siegerzeit erkennt man daran, daß die württembergische Hallenmeisterin des letzten Jahres glatt eine Sekunde langsamer lief. Wir haben über diesen schönen Erfolg im Mitteilungsblatt berichtet und möchten auch nicht versäumen, die übrigen Mädchen der Altersklasse W 13 und W 14 lobend zu erwähnen.
Susanne Möbius wurde Siebte bei den Württembergischen Meisterschaften über 60 m Hürden in 9,98 sec. und Anja Stang wurde über 800 m Neunte. Die Staffel über 4 x 100 m mit Tina Halm als Startläuferin, Tanja Bauknecht, Kristina Holst und Susanne Möbius als Schlußläuferin liefen sie ein tolles Rennen und erkämpften sich einen 7. Platz bei den Württembergischen Meisterschaften. Der Trainer Ralf Feucht hat uns schon mitgeteilt, daß wir uns für diese Freiluftsaison noch auf einiges gefaßt machen könnten. Seine Truppe sei gut drauf. Es muß wohl in der Familie liegen, denn der Bruder von Kristina, übrigens ein ehemaliger Fußballer, errang bei den Württembergischen Jugendmeisterschaften in Sindelfingen in einem tollen Rennen den 4. Platz in 52,54 sec. Auch ihm gilt unser Glückwunsch. Unsere Männertruppe war im letzten Jahr relativ müde. Verletzungen, berufliche Ausbildung, fehlender Ansporn und vielleicht auch noch andere Gründe waren ausschlaggebend, daß zwar einige ganz gute Plazierungen auf verschiedenen Sportfesten erreicht werden konnten, aber bis auf die Bezirksmeisterschaft des Kai Seewald im Weitsprung blieben die Titel auf Kreis—und Bezirksebene aus.
Und noch etwas hat der Abteilung Spaß gemacht. Beim ersten Berlin-Marathon durch die wiedervereinigte Stadt war eigens das Brandenburger Tor vorzeitig ausgeschalt worden, damit es die Läufer durchlaufen konnten. Zusammen mit fünfundzwanzigtausend anderen Läufern machten sich auch Ulrich Wellmann, Sönke Reinhold und Ralf Feucht auf die Beine um die 42,125 km zurückzulegen. Ich war als Zuschauerin auch dabei. Es war ein grandioses Erlebnis. Die Läufer wurden wie Fische in einem Strom durch die Straßen gespült. In Zeiten von 2:53:18 h für Sönke Reinhold, 3:23:02 h für Ralf Feucht und 3:37:54 h für Ulrich Wellmann wurde die Strecke gut gemeistert. Freude und Erschöpfung war auf den Gesichern der Dagersheimer Läufer abzulesen, als sie auf dem Kudamm durchs Ziel liefen. Die Begeisterung der über 1 Million Zuschauer läßt sich nicht beschreiben. Man muß dabei gewesen sein. Die Dagersheimer Läufertruppe wurde von diesem Erlebnis so begeistert, daß möglicherweise im nächsten Jahr der New York-Marathon auf dem Programm steht.
Unsere Veranstaltungen (Abendsportfest, Kreisschülermehrkampfmeisterschaften und 3. Dagersheimer Waldlauf) waren gut besucht, brachten teilweise gute Ergebnisse und auch etwas Einnahmen. Erstmals veranstalteten wir den Waldlauf zusammen mit der Ski- und Gymnastikabteilung. So wurde um den Waldlauf herum ein Familienprogramm mit bunten Wettkämpfen abgewickelt, das noch mehr Zuschauer und Teilnehmer ins Stadion lockte. Wenn uns im kommenden Jahr das Wetter nicht so im Stich läßt, werden wir sicherlich noch mehr Zulauf haben.
Wir feierten unsere zweite leichtathletische Hochzeit. Steffen Knapp und seine Sabine wurden ein Paar und ein erster Jungigel liegt schon im Nest. Die Nikolausfeier, ein gemeinsamer Besuch des Böblinger Mineralbades, ein Kindernachmittag im Garten und vieles andere mehr rundeten das Programm ab.
Der TSV Dagersheim beim Berlin - Marathon 1990
Nach intensiver Vorbereitung , besonders in den letzten beiden Monaten vor dem Lauf, also im August und September, war es dann soweit. Zusammen mit den Ehefrauen als Betreuerinnen flogen sie am Samstag, dem 29.09.90 nach Berlin, um ihr optimal zwischen Ziel und Start gelegenes Hotel zu beziehen.
Und dann der Start:
Man kann sich diese Menschenmengen nicht vorstellen, soweit das Auge reichte, Läufer, Läuferinnen und nochmal Läufer - 25.000 an der Zahl und wir drei mitten darin. Ein tolles Gefühl und trotz des anfangs leichten Nieselregens kein bißchen kühl, denn 25.000 gaben ihre aufgeregte Körperwärme an die Umwelt ab. Was gab es nicht alles zu sehen und zu riechen. Tausend Eindrücke stürmten auf uns ein. Während die Männer überwiegend in ihrem normalen Laufdress dastanden, machten manche Frauen den Start zum Laufsteg. Langsam und die Blicke der Männer auf sich ziehend zogen sie ihren Trainingsanzug aus, um darunter mit hautengem Dress und brauner Haut aufzuwarten. Hui, wie das die Pulsschläge antrieb.
Dann endlich nach den Begrüßungsworten des Reg.Bürgermeisters Momper fiel der Startschuß und mit ihm stiegen tausende blauer Luftballons in den grauen Himmel auf. Gleichzeitig brach aus 25.000 Kehlen der Befreiungs- und Jubelschrei los. Anfangs langsam - fast 4 Minuten bis zur Startlinie - dann immer schneller setzten sich 50.000 Läuferbeine in Bewegung. Die wenigen Kilometer um die Siegessäule herum bis zum Brandenburger Tor waren im Nu zurückgelegt. Und beim Durchlaufen des Brandenburger Tors kannten die Emotionen keine Grenzen
- Küsse , Umarmungen , Jubelschreie und Tränen -
alle aufgestauten Gefühle brachen sich Bahn. Man konnte es förmlich fühlen, daß Berlin und Deutschland wieder eins waren. Trauben von Menschen an den Straßen, Klatschen, Musik, Begeisterungsrufe, wir wurden wie im Rausch durch die Straßen getragen. Unter den Linden liefen wir , vorbei an allen Stätten, die für die jüngste deutsche Geschichte gesorgt hatten, an der Spree entlang, durchs Nikolaiviertel, lange durch den Ostteil der Stadt, dann durch Kreuzberg und weiter immer weiter, so weit die Füße trugen. Und sie trugen und wurden getragen von den dicht an dicht stehenden Zu—schauern, die uns weiter trieben, ob wir wollten oder nicht. Ralf Feucht hatte sich seine Zwischenzeiten mit Kuli auf den Arm geschrieben, Ulrich Weltmann wollte nicht so schnell laufen, war es doch sein allererster Marathon, aber unter 4 Stunden wollte er schon ankommen. Und Sönke , der Dauerrenner lief , was das Zeug hielt, um seine Bestzeit von 2:55 h zu verbessern.
Das Ziel rückte näher, die Verpflegungs— und Trinkstationen wurden häufiger in Anspruch genommen, aber auch die Beine wurden schwerer. Bis Kilometer 30 war ja alles ganz einfach, bis Kilometer 35 gings auch noch, aber dann kam der innere Schweinehund mächtig auf und mußte bekämpft werden. Gottseidank waren so gut wie keine Steigungen eingebaut, aber auch so zogen sich die Kilometer immer mehr in die Länge. Schließlich ab km 41 der Kuhdamm, eine wunderschöne Flanierstraße, aber davon merkten wir wenig. Mit letzter Kraft , beinahe unempfindlich für die Anfeuerungsrufe der Zuschauer , stampften wir dem Ziel entgegen. Da war es , breit gähnte es uns an und nahm uns liebevoll in seine Zielbandarme. Geschafft, gesiegt, hungrig, durstig, müde aber doch unsagbar glücklich ließen wir uns unsere Medaille umhängen.
Ganz Berlin war eine rosarote Wolke und wir Dagersheimer Leichtathleten mitten drin.